LAG Stuttgart: Die Nachtbereitschaft eines Wohngruppenbetreuers ist keine Bereitschaftszeit

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Ein Erzieher, der in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe zur Nachtbereitschaft eingeteilt ist, leistet nach einem Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 21.01.2019 (1 Sa 9/18) hierbei Bereitschaftsdienste i.S.d. § 4 Abs. 3 Anlage 33 der AVR des Deutschen Caritasverbandes. Es handelt sich bei dieser Nachtbereitschaft aber nicht um Bereitschaftszeiten nach § 8 Abs. 1 Anlage 33 der AVR.

Was war geschehen?

Der Kläger ist bei der Beklagten, einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, als Erzieher beschäftigt. Er betreut in einer Wohngruppe i.d.R. acht Kinder und Jugendliche, die in einem Haus der Beklagten untergebracht sind. Er erbringt tagsüber seine Arbeitsleistung im Schichtdienst. Darüber hinaus ist er regelmäßig zu Nachbereitschaften eingeteilt, die während der Schulzeiten von 22 Uhr bis 6 Uhr und während der Ferienzeiten und an Wochenenden von 22 Uhr bis 8 Uhr dauern. Die Beklagte vergütet die Nachtbereitschaften als Bereitschaftsdienste, wobei sie diese entweder mit 25 % der regelmäßigen Vergütung vergütet oder entsprechend in Freizeit umrechnet. Sie geht hierbei davon aus, dass die Erzieher während der Nachtbereitschaft schlafen können und nur im Bedarfsfall ihre Arbeit aufnehmen müssen. Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich bei der Nachtbereitschaft um Bereitschaftszeiten handelt, die zu 50 % auf die Arbeitszeit anzurechnen sind. Er sei auch während der Nachtbereitschaft umfassend für die Kinder und das Haus verantwortlich. Daher bestehe seine Schlafmöglichkeit nur theoretisch. Er müsse seine Arbeit selbstständig aufnehmen, wenn es hierfür Bedarf gebe. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

LAG bejaht Bereitschaftsdienst

Die Berufung des Klägers hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Bei der von der Beklagten angeordneten Nachtbereitschaft handele es sich um Bereitschaftsdienst. Dieser werde dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer, anders bei der Bereitschaftszeit, keine “wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung“ erwarte. Vielmehr dürfe sich der Arbeitnehmer während der Nachtbereitschaft ausruhen oder sogar schlafen. Bereitschaftsdienst i.S.d. AVR verlange auch nicht dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Arbeit aufgefordert werde. Er könne auch dann vorliegen, wenn sich der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, durch auffällige Vorgänge im Haus veranlasst sieht, nach den Kindern zu sehen.

Da bislang keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Nachtbereitschaft von Erziehern in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vorliegt, hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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