OVG Bautzen: Der Anspruch auf einen KiTa-Platz steht nicht unter einem Kapazitätsvorbehalt

Joachim Schwede Archiv 1 Kommentar

Mit einem Beschluss vom 7.6.2017 (Az. 4 B 100/17) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen im Rahmen eines Eilverfahrens die Stadt Leipzig dazu verpflichtet, dem antragstellenden Kind bis zur Entscheidung in der Hauptsache für die Wochentage Montag bis Freitag einen Betreuungsplatz von jeweils mindestens 7 Stunden in der Zeit zwischen 9.00 Uhr und 17.00 Uhr zur frühkindlichen Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder einer Kindertagespflege zur Verfügung zu stellen, der unter Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln in nicht mehr als 30 Minuten von der Wohnung des Kindes erreichbar ist.

Die Kernaussagen der Entscheidung sind:

1. Der Anspruch aus § 24 Abs. 2 SGB VIII steht nicht unter einem Kapazitätsvorbehalt.

2. Die vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorgetragene Unfähigkeit, einen Platz zur frühkindlichen Förderung zur Verfügung zu stellen, steht weder dem Anordnungsanspruch noch dem Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung entgegen.

3. Im Rahmen von § 24 Abs. 2 SGB VIII konkurrieren Gleichaltrige von Rechts wegen nicht um zu wenige Kinderkrippenplätze, sondern haben jeweils einen unbedingten Anspruch auf frühkindliche Förderung.

Zur – sich aufdrängenden – Frage, woher diese Plätze denn kommen sollen, führt das Gericht lapidar aus: “Ebenfalls ohne Einfluss auf den Anordnungsgrund ist die von der Antragsgegnerin vorgetragene Unfähigkeit, der Antragstellerin einen Platz zur frühkindlichen Förderung zur Verfügung zu stellen. Diese Unfähigkeit hat lediglich zur Folge, dass der hier von der Antragstellerin beschrittene Rechtsweg als unzumutbar angesehen werden würde, wenn ihre Eltern willens und in der Lage wären, für sie eine als geeignet und erforderlich angesehene Förderungsmöglichkeit selbst zu beschaffen (…). Die Titulierung dient mit der dadurch folgenden Möglichkeit der ggf. wiederholten Vollstreckung nach § 172 VwGO dazu, die Antragsgegnerin zu veranlassen, bestehende Hindernisse für die Erfüllung des Anspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII zu beseitigen. Auch in der Hauptsache spielt die aktuelle Unfähigkeit zur Anspruchserfüllung keine Rolle und die Antragsgegnerin hat eine Titulierung zu erwarten.”
Mit anderen Worten: Auch in der Hauptsache wird das Verfahren nicht anders ausgehen.

Die Entscheidung ist hanebüchen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, sich die Gedanken zu machen, die sich Politik und Verantwortliche in den Kommunen ganz offensichtlich nicht oder nicht ausreichend gemacht haben, kann doch wohl erwartet werden, dass man dortselbst in einer Entscheidung berücksichtigen muss, dass es Kapazitätsprobleme gibt, auf die die Träger der Jugendhilfe schlichtweg keinen Einfluss haben, so z.B. den eklatanten Mangel an qualifizierten ErzieherInnen.

Folge dieser Entscheidung wird vielmehr sein, dass die Kommunen zukünftig eine gewisse Quote von Plätzen nicht hergeben, um auf solche Entscheidungen vorbereitet zu sein. Damit haben die klagewütigen Eltern ihr Ziel erreicht, auf Kosten anderer Kinder….

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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Kommentare 1

  1. Wilhelm Drescher

    Sehr geehrter Herr Schwede,

    Die unterstellte Klagewut ist sachlich bestimmt nicht richtig. Das Problem des Mangels ist in seiner Natur politisch und natürlich auf einer höheren als der kommunalen Ebene zu betrachten.

    Aber wenn z.B finanzielle Planungen hinsichtlich Krediten von der Annahme ausgehen zumindest in einem planbaren Zeitraum einen Kitaplatz zu erhalten kann sich letztlich nicht jeder aus der Verantwortung stehlen. Oder Kinder werden zum unkalkulierbaren finanziellen Risiko.

    Ich kenne niemand der einfach so aus Lust und Laune klagewütig wäre.

    Mit freundlichen Grüßen

    Drescher

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