Vergabe von Kita-Plätzen in Münster beanstandet

Joachim Schwede Archiv Leave a Comment

Das Verwaltungsgericht Münster hat es der Stadt Münster im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, einem im Februar 2016 geborenen und im Innenstadtbereich Münsters wohnenden Kind einen Betreuungsplatz zur frühkindlichen Förderung mit dem Betreuungsumfang von 45 Stunden wöchentlich in einer Kindertageseinrichtung zur Verfügung zu stellen, die in nicht mehr als 15 Minuten von der elterlichen Wohnung erreichbar ist. Es reiche nicht, wenn den Eltern als Alternative die Betreuung bei einer Tagesmutter angeboten wird, da nicht nachgewiesen wurde, dass die Platzvergabe nach sachgerechten Kriterien erfolgt und die Kapazität erschöpft ist (Beschluss vom 20.07.2017 – Az.: 6 L 1177/17).

Die Eltern des Antragstellers hatten dem Jugendamt der Stadt Münster Ende Februar 2017 mitgeteilt, dass sie ab April oder spätestens August 2017 einen Platz für ihr Kind in der Kindertagesbetreuung für 45 Stunden wöchentlich suchten, da sie beide in Vollzeit erwerbstätig seien. Ihr Kind sei im sogenannten Kita-Navigator angemeldet. Dort hatten die Eltern das Kind bei insgesamt 14 Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen vormerken lassen. Ende Mai 2017 teilte das Jugendamt den Eltern mit, dass das aktuelle Platzangebot bedauerlicherweise nicht ausreiche, um für alle vorgemerkten Kinder Plätze zuzusagen. In der Folgezeit bot das Jugendamt den Eltern insgesamt drei Stellen der Kindertagespflege (“Tagesmutter”) an, die die Eltern ablehnten. Am 03.07.2017 beantragten sie für ihr Kind die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

Diesem Antrag gab das VG Münster statt. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer öffentlich geförderten Tageseinrichtung oder in Tagespflege. Dieser Leistungsanspruch sei rechtlich so ausgestaltet, dass auf entsprechenden Wunsch jedem Kind ein solcher Platz zur Verfügung gestellt werden müsse. Diesen Anspruch des Antragstellers habe die Antragsgegnerin nicht dadurch erfüllt, dass sie unter Hinweis auf die aktuell nicht ausreichende Zahl an Plätzen in den öffentlich geförderten Kindertageseinrichtungen dem Antragsteller beziehungsweise seinen Eltern Möglichkeiten seiner Betreuung in Kindertagespflege angeboten habe. Zwar könne der Träger der Jugendhilfe seine Verpflichtung zur Förderung von unter dreijährigen Kindern gleichermaßen mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in einer Kindertagesstätte und mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in der Kindertagespflege erfüllen. Dabei sei das Jugendamt allerdings verpflichtet, den Leistungsberechtigten auch die ihren Wünschen entsprechende Betreuungsform zu vermitteln.

Das Wunsch- und Wahlrecht finde nur dann seine Grenze, wenn keine Plätze in der gewünschten Betreuungsform vorhanden seien. Die Antragsgegnerin dürfte jedoch nicht nachgewiesen haben, dass dem Antragsteller gegenwärtig kein Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung zugewiesen werden könne. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in Münster setze der Nachweis der Erschöpfung der Kapazitäten voraus, dass ein sachgerecht ausgestaltetes und durchgeführtes Verfahren zur Vergabe der städtischen Kindergartenplätze stattgefunden habe.

Standardisiertes Vergabeverfahren erforderlich

Es sei nicht erkennbar, dass die Betreuungsplätze im Rahmen eines standardisierten Vergabeverfahrens vergeben würden. Den Hinweisen im Online-Portal “Kita-Navigator” könne nicht entnommen werden, dass ein sachgerecht ausgestaltetes und durchgeführtes Verfahren zur Vergabe der städtischen Kindergartenplätze stattgefunden habe. Insbesondere lasse sich in Anbetracht dessen, dass die Vergabeentscheidungen allein durch die jeweilige Kita-Leitung oder deren Träger nach jeweils eigenen Kriterien getroffen werden, nicht feststellen, dass der Vergabe der Betreuungsplätze in jedem Fall sachgerechte Entscheidungskriterien zugrunde lägen. Mangels eines Vergabesystems mit einheitlichen Vorgaben erscheine es weder transparent, nach welchen Kriterien die Betreuungsplätze vergeben würden, noch erscheine es gewährleistet, dass die Platzvergabe im Einzelfall nach sachgerechten Kriterien erfolge.

Kapazitätserschöpfung nicht nachgewiesen

Mangels nicht nachgewiesener sachgerechter Platzvergabe sei kein Nachweis der Erschöpfung der Kapazitäten erkennbar. Diesen Nachweis habe die Antragsgegnerin auch deshalb nicht geführt, weil sie lediglich festgestellt habe, dass dem Antragsteller kein Platz in einer der von seinen Eltern im Kita-Navigator vorgemerkten Kindertageseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden könne. Ob und gegebenenfalls welche weiteren Einrichtungen die Antragsgegnerin in Betracht gezogen habe, sei hingegen nicht erkennbar. Der Kita-Navigator weise für den Bereich im Umkreis von zwei Kilometern um die Wohnung des Antragstellers und seiner Eltern insgesamt 49 Kindertageseinrichtungen aus, darunter drei städtische Einrichtungen. Die Antragsgegnerin habe jedoch lediglich bei elf Einrichtungen Nachforschungen über die Platzvergabe angestellt.

Bei 180 Kitas in Münster ist ein freier Platz wahrscheinlich

Ausweislich des Kita-Navigators bestünden in Münster insgesamt 180 Kindertageseinrichtungen und circa 290 Angebote der Kindertagespflege, wovon sich mindestens 50 im Innstadtbereich (etwa im Bereich von zwei Kilometern um den Domplatz) befänden. Angesichts dessen könne jedenfalls für den Innenstadtbereich Münsters davon ausgegangen werden, dass hier in der Regel eine fußläufige Erreichbarkeit der Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen beziehungsweise in Kindertagespflege gegeben sei, also ein Betreuungsplatz jedenfalls in nicht mehr als 15 Minuten erreicht werden könne.

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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