“Göttinger Transplantationsskandal” – Das BSG bejaht den Vergütungsanspruch der Universitätsklinik trotz Manipulationen

Joachim Schwede Archiv Leave a Comment

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 07.03.2023 entschieden (Az. B 1 KR 3/22 R), dass der Vergütungsanspruch des Krankenhauses für eine medizinisch erforderliche Transplantation eines im vorgesehenen Verfahren zugeteilten Organs nicht dadurch entfällt, dass das Krankenhaus falsche Angaben zur Dringlichkeit der Transplantation an Eurotransplant gemeldet hat.

Der Fall: Krankenkasse verlangt Vergütungsrückzahlung wegen Manipulation

In dem beklagten Universitätsklinikum wurden zwei Versicherten der klagenden Krankenkasse in den Jahren 2010 und 2011 jeweils Spenderlebern transplantiert. Die Eingriffe waren medizinisch indiziert und wurden nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt. Das Universitätsklinikum berechnete für die Behandlungen 157.159,31 EUR, die die Krankenkasse bezahlte. Im Zuge der vom Klinikum selbst initiierten staatsanwaltlichen Ermittlungen stellte sich heraus, dass verantwortliche Mitarbeiter des Klinikums falsche Daten an Eurotransplant gemeldet hatten, um auf diese Weise die eigenen Patienten auf einem höheren Platz auf der Warteliste für Spenderorgane zu positionieren. Das gegen einen leitenden Oberarzt geführte Strafverfahren endete mit einem Freispruch.

Das SG hat das Universitätsklinikum zur Rückzahlung der Vergütung verurteilt. Die Berufung des Klinikums hiergegen hatte vor dem LSG Erfolg. Mit ihrer Revision begehrt die Krankenkasse die Wiederherstellung des sozialgerichtlichen Urteils. Sie macht geltend, das Transplantationsrecht enthalte zwingende normative Vorgaben, deren Nichteinhaltung das Entstehen des Vergütungsanspruchs verhindere.

BSG: Vorschriften zur Organverteilung haben keinen Einfluss auf die Vergütungspflicht

Die Revision der Krankenkasse war ohne Erfolg. Im entschiedenen Fall steht fest, dass die Organtransplantationen medizinisch indiziert waren und einwandfrei durchgeführt wurden. Verletzt wurden die Regelungen zur Meldung der für die Organzuteilung erforderlichen Angaben. Diesen Regelungen kommt aber keine Vergütungsrelevanz zu. Die Vorschriften über die Organverteilung und die damit verbundenen Meldepflichten haben keine qualitätssichernde Zielrichtung. Sie dienen der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit. Ihre Einhaltung ist keine Voraussetzung der Leistungserbringung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Senat verkennt nicht, dass das Vertrauen in ein gerechtes Verteilungssystem für Spenderorgane durch Manipulationen nachhaltig beschädigt wird. Für die Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs spielen diese Gerechtigkeitserwägungen nach dem hier maßgeblichen Recht aber keine Rolle. Zur Sanktionierung von Falschmeldungen gegenüber Eurotransplant hat der Gesetzgeber in der Folge des Transplantationsskandals 2013 einen Straftatbestand geschaffen. Weiterhin ist aber weder die Transplantation des im Zusammenhang mit einer Falschmeldung zugeteilten Organes verboten, noch der Vergütungsanspruch ausdrücklich ausgeschlossen.

Der Senat musste nicht entscheiden, ob die Regelungen zur Organvermittlung verfassungsgemäß und damit rechtlich verbindlich sind.

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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