Bezeichnet ein Arbeitnehmer seinen Chef als „soziales Arschloch“, kann trotz langjährigem Arbeitsverhältnis in einem familiengeführten Kleinbetrieb auch ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Dies hat das LAG Schleswig-Holstein mit einem inzwischen rechtskräftigen Urteil vom 24.01.2017 entschieden (Az.: 3 Sa 244/16).
Was war geschehen?
Nach einem Wortgefecht in einem familiengeführten Kleinbetrieb kommentierte einer der Geschäftsführer die Situation mit den Worten: „Kinderkram. Sind wir hier im Kindergarten?“. Dies nahm der Kläger zum Anlass, um am nächsten Tag einem anderen Geschäftsführer gegenüber u.a. zu äußern, der Vater des ersteren habe sich ihm gegenüber wie ein „Arsch“ benommen. Erst am Abend des nachfolgenden Tages wurde er daraufhin für drei Tage von der Arbeit freigestellt und dann, nachdem eine Entschuldigung nicht erfolgt war, fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Vor dem Arbeitsgericht blieb die Kündigungsschutzklage erfolglos.
Entscheidung des LAG
Auch vor dem LAG hatte der Kläger keinen Erfolg. Bei groben Beleidigung kann sich ein Arbeitnehmer nicht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung berufen. Eine Provokation durch die Äußerung des Geschäftsführers sah das LAG Schleswig-Holstein nicht. Ebenso sei eine Affekthandlung aufgrund der großen Zeitspanne zwischen den beiden Gesprächen ausgeschlossen. Da der Kläger diese Zeitspanne nicht dazu genutzt hatte, sich für seine Entgleisung zu entschuldigen und auch bis zum Ende der Berufungsverhandlung keine Einsicht zeigte, entschied das LAG, dass es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten sei, das über 23 Jahre andauernde Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, eine ansonsten bei einer personenbedingten Kündigung zwingend erforderliche Abmahnung durch den Arbeitgeber in diesem Fall also entbehrlich war.
Wichtig für die Praxis
Sicher sind Eskalationen im Arbeitsleben keine Seltenheit. Zu raten ist in derartigen Fällen, sich bei Entgleisungen die von der Arbeitgeberseite in keiner Weise akzeptiert werden können, in angemessener Zeit zu entschuldigen und vor allen Dingen die Ernsthaftigkeit dieser Entschuldigung deutlich werden zu lassen.
Wichtig: Als zeitlich nicht mehr hinnehmbare Spanne zwischen Entgleisung und Entschuldigung hat das LAG eine solche von 16 Stunden angesehen.
© Gaby Schwede