LSG Hessen: Eine Physiotherapeutin ohne unternehmerisches Risiko ist abhängig beschäftigt

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Physiotherapeuten, die als “freie Mitarbeiter“ in einer physiotherapeutischen Praxis arbeiten, sind abhängig beschäftigt, wenn sie in die Organisation der Praxis eingegliedert sind und kein Unternehmerrisiko tragen (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 05.03.2020 (Az. L 1 BA 14/18).

Was war geschehen?

Eine Physiotherapeutin war in einer physiotherapeutischen Praxis tätig. Mit deren Inhaberin hatte sie einen Vertrag als “freie Mitarbeiterin“ geschlossen. Sie zahlte keine Miete und hatte auch keine sonstigen Praxiskosten zu tragen. Ferner hatte sie fast keine Gerätschaften oder Materialien auf eigene Kosten erworben. Die durchgeführten Behandlungen wurden über das Abrechnungssystem der Praxisinhaberin abgerechnet, die 30 % des jeweiligen Abrechnungsbetrages erhielt. Die Deutsche Rentenversicherung stellte auf Antrag der Mitarbeiterin fest, dass diese abhängig beschäftigt und sozialversicherungspflichtig sei. Hiergegen klagte die Praxisinhaberin. Sie führte an, dass die Mitarbeiterin nicht weisungsgebunden gewesen sei und ihre Arbeitszeiten selbst habe bestimmen können. Ferner sei die Mitarbeiterin an den Kosten der Praxis beteiligt gewesen, da sie 30 % der Abrechnungsbeträge an sie gezahlt habe.

LSG Hessen: Aufgrund der Eingliederung in die Organisation der Praxis liegt eine abhängige Beschäftigung vor

Beide Instanzen haben der Rentenversicherung Recht gegeben. Die Mitarbeiterin sei in die Organisation der Praxis eingegliedert gewesen. Der Erstkontakt mit den Patienten sei stets über die Praxis erfolgt. Auch seien die Patienten ausschließlich mit der Praxisinhaberin vertraglich verbunden. Von maßgeblicher Bedeutung sei zudem, dass die Mitarbeiterin kein gewichtiges Unternehmerrisiko getragen habe. Insbesondere habe sie keine laufenden Kosten gehabt, die unabhängig von ihren erbrachten Leistungen angefallen seien, wie etwa die Miete für einen Behandlungsraum oder Personalkosten. Sie habe lediglich 30 % von der geleisteten Behandlungsvergütung an die Praxisinhaberin zahlen müssen. Auf eigene Kosten habe die Mitarbeiterin lediglich einen Gymnastikball und ein Thera-Band erworben. Schließlich sei die Mitarbeiterin auch nicht unternehmerisch auf dem Markt aufgetreten. Sie habe für ihre Tätigkeit keine Werbung gemacht, keine Visitenkarten verteilt und auch nicht durch ein Praxisschild auf sich aufmerksam gemacht.

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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