Schulgeld ist nicht in der Bedarfsgemeinschaft des umgangsberechtigten Elternteils zu berücksichtigen – oder gegen Hartz IV Bescheide kann man durchaus erfolgreich vorgehen!

Joachim Schwede Archiv Leave a Comment

Das Schulgeld für Kinder von Langzeitarbeitslosen muss nach einem Urteil des SG Dortmund (Urteil vom 16.05.2017, Az. S 19 AS 2534/159) das Jobcenter zahlen, in dessen Bezirk die Schüler ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies gilt auch dann, wenn sie sich zum Stichtag am Beginn des Schulhalbjahres bei dem umgangsberechtigten Elternteil im Zuständigkeitsbereich eines anderen Jobcenters aufhalten.

Was war geschehen?

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger zum Stichtag 01.02.2015 Anspruch auf Leistungen zur Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf („Schulgeld“) haben. Diese stehen seit 2009 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin im Leistungsbezug und waren am am 01.02.2015 Schüler der Hauptschule M. Sie leben gewöhnlich in J im Haushalt ihrer Mutter. Die Eltern der Kläger leben getrennt. Der Vater wohnt in I und steht jedenfalls seit 2013 beim Beigeladenen im Leistungsbezug. Die Kläger halten sich mehrmals im Monat bei ihrem Vater auf. Auf den von ihrer Mutter am 27.10.2014 gestellten Weiterbewilligungsantrag hin bewilligte der Beklagte den Klägern zunächst vorläufig und mit Bescheid vom 28.06.2016 endgültig Leistungen nach dem SGB II für die Monate Dezember 2014 bis Mai 2015.

Zum Stichtag 01.02.2015 (an diesem Tag hielten sich die Kläger ab 10:00 Uhr bei ihrem Vater auf) wurde an die Kläger kein Schulgeld gezahlt. Auf diesbezügliche Nachfrage hin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.05.2015 die Gewährung von Schulgeld für die Kläger zum Stichtag 01.02.2015 ab. Da diese am 01.02.2015 nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Mutter gewesen seien, bestehe kein Anspruch auf diese Leistung. Schulgeld könne jedoch vom Beigeladenen gewährt werden, weil die Kläger Mitglied der Bedarfsgemeinschaft des Vaters gewesen seien.

Die Kläger haben Klage erhoben. Sie meinen, Besuchskontakte seien für die Gewährung von Schulgeld unerheblich.

SG Dortmund: Bescheid ist falsch!

Die Klage war erfolgreich. Die formellen Anspruchsvoraussetzungen seien gegeben. Der nach § 37 I 1 SGB II erforderliche Leistungsantrag wurde gestellt. Der Antrag auf laufende Leistungen umfasse wie sich im Umkehrschluss aus § 37 I 2 SGB II ergebe zugleich den Antrag auf Schulgeld. Die Zuständigkeit des Beklagten folge sachlich aus §§ 6 I 1 Nr. 2, 44b I 2 SGB II und örtlich aus § 36 S. 2 SGB II, wonach für die örtliche Zuständigkeit der gewöhnliche Aufenthalt des Leistungsberechtigten maßgeblich ist.

Abweichendes hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten folge insbesondere nicht aus § 36 S. 3 SGB II. Danach sei während des Aufenthalts des Minderjährigen beim Umgangsberechtigten zwar das Jobcenter zuständig, in dessen Bezirk der Umgangsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies spricht dem Wortlaut nach für die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen, da sich die Kl am 01.02.2015 über 12 Stunden bei ihrem Vater aufhielten. Zu beachten sei jedoch, dass der Gesetzgeber durch § 36 S. 3 SGB II lediglich die Rechtsprechung des BSG zur temporären Bedarfsgemeinschaft (grundlegend BSG, NZS 2007, 383) umsetzen wollte. Eine örtliche Zuständigkeit des Trägers am gewöhnlichen Aufenthaltsort des umgangsberechtigten Elternteils folge deshalb nur insoweit aus § 36 S. 3 SGB II, als nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) die jeweiligen Bedarfe nicht in der Bedarfsgemeinschaft des Elternteils zu berücksichtigen sind, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sondern in der Bedarfsgemeinschaft des umgangsberechtigten Elternteils. Schuldgeld sei jedoch nicht in der Bedarfsgemeinschaft des umgangsberechtigten Elternteils zu berücksichtigen. Im Rahmen der temporären Bedarfsgemeinschaft erfolge eine tageweise Zuordnung lediglich hinsichtlich teilbarer Geldleistungen zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten, um den Umgangskosten Rechnung zu tragen (BSG, BeckRS 2013, 73815). Das Schuldgeld stelle keine derartige Leistung dar. Es handele sich nicht um Leistungen zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten, sondern um Leistungen zur Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf. Zudem sei das Schulgeld nicht tageweise teilbar. Es werde entweder ganz oder gar nicht für ein Schulhalbjahr geleistet. Außerdem handele es sich idR nicht um Umgangskosten. Es erscheine wenig naheliegend, dass der umgangsberechtigte Elternteil, wenn sich das Kind am Stichtag bei ihm aufhält, auch tatsächlich derjenige ist, der für das kommende Schulhalbjahr sämtlichen Schulbedarf beschafft. Regelmäßig würden die Kosten für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf vielmehr in der Bedarfsgemeinschaft desjenigen Elternteils anfallen, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Fazit

Nach aktuellen Presseberichten sind 44 % der „Hartz-IV“-Klagen erfolgreich, 45 % würden „anderweitig erledigt“, z. B. durch Vergleiche.

Warum das so ist, zeigt der vorliegende Fall: Ein einfacher Blick in die Literatur (z.B. Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber/Fasselt, Gesamtkommentar Sozialrechtsberatung, 1. Aufl 2015, § 36 SGB II Rn 2) hätte dem Sachbearbeiter erschlossen, dass seine Entscheidung falsch ist. So gilt auch weiterhin – ein Widerspruch in „Hartz-IV“-Verfahren ist lohnend!

© RA Joachim Schwede, Aichach

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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