Benachteiligende Kita-Kündigungsklausel ist unwirksam

Joachim Schwede Archiv Leave a Comment

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts München I hat am 31.10.2023  der Klage zweier Eltern auf Rückerstattung von vier Monaten Kindergartengebühren i.H.v. insgesamt 6.320 € gegen die Betreiber einer privaten Kindertagesstätte stattgegeben (Az. 2 O 10468/22).

Der Fall

Die Kläger schlossen mit der Kindertagesstätte im November 2020 zwei Betreuungsverträge über die Aufnahme ihrer beiden Kinder in der Tagesstätte zum 01.01.2022. Nach Ziffer 8 des Betreuungsvertrags war das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Erziehungsberechtigten bis zum Beginn der Vertragslaufzeit ausgeschlossen. Die ordentliche Kündigungsfrist sollte drei Monate zum Monatsende betragen. Im März 2021 erklärten die Kläger die Kündigung sowie den Rücktritt von beiden Verträgen. Hintergrund der Kündigung war nach Darstellung der Kläger, dass sie nach Abschluss der Betreuungsverträge erfahren hätten, dass sich die Mutter des Klägers einer schwierigen Operation unterziehen müsse. Um die nunmehr von den Klägern betreute Mutter nicht zu gefährden und einem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen, könnten sie ihre Kinder nicht in die Obhut der Kindertagesstätte geben.

Die Betreiber des Kindergartens bestätigten im April 2021 den Erhalt der Kündigung, wiesen diese jedoch insoweit zurück, als eine Kündigung nach den Vertragsbedingungen erst zum 30.04.2022 möglich sei. Die Aufnahmegebühr sowie das Betreuungsgeld seien vorher zu entrichten– unabhängig davon, ob die Kinder der Kläger den Kindergarten auch besuchen. Dies sei dem Umstand der Planungssicherheit für den Kindergarten geschuldet.

Die Kinder der Kläger wurden durch die Beklagten zu keinem Zeitpunkt betreut. Dennoch zog die Beklagten am 14.03.2022 per Lastschrift einen Betrag i.H.v. 4.990,00 € und am 01.04.2022 einen weiteren Betrag i.H.v. 1.330,00 € vom Konto der Kläger ein.

Die Kläger machten nun klageweise die Rückzahlung der eingezogenen Beträge geltend. Die Klausel in Ziffer 8 des Betreuungsvertrags stelle eine unangemessene Benachteiligung dar und sei daher unwirksam. Da die Kinder die Tagesstätte nie besucht und die Beklagten damit keine Gegenleistung erbracht hätten, stünde ihnen auch kein Anspruch auf Zahlung der Gebühren zu. Darüber hinaus sei ein wichtiger Kündigungsgrund darin zu sehen, dass die schwer erkrankte Mutter des Klägers vor etwaigen Ansteckungen zu schützen gewesen sei.

LG: Wirksame Kündigung

Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass die Betreuungsverträge für beide Kinder wirksam gekündigt wurden und der Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung bis zum Beginn der Vertragslaufzeit unwirksam sei. Die streitgegenständliche Regelung sei mit dem Benachteiligungsverbot im AGB-Recht nicht vereinbar.

Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündigung bei der vorliegend verwandten Klausel nur einseitig für die Eltern gelte – obwohl die Eltern ein ebenso hohes, wenn nicht sogar höheres Planungsbedürfnis aufwiesen wie Kindertagesstätten. Dieser einseitige Ausschluss benachteilige die Kläger unangemessen – zumal die vertragliche Regelung den Eltern eine zeitlich äußerst lange Vertragsbindung abverlange, ohne eine gleichgelagerte Betreuungssicherheit einzuräumen. Im Rahmen der Gesamtabwägung sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts dem Wortlaut nach selbst dann greife, wenn es der Kindertagesstätte gelänge, die frei gewordenen Plätze erfolgreich an andere Kinder zu vergeben – dadurch erhielte die Kindertagesstätte de facto über einen Zeitraum von vier Monaten für den Platz eine doppelte Bezahlung.

Ob darüber hinaus auch ein wichtiger Kündigungsgrund und damit eine wirksame außerordentliche Kündigung vorlag, musste daher von Seiten des Gerichts nicht entschieden werden.

Das Urteil vom 31.10.2023 ist nicht rechtskräftig.

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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