Dem Anspruch eines Kindes auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung kann nach einem Beschluss des OVG Lüneburg vom 15.12.2021 (Az. 10 ME 170/21) grundsätzlich nicht entgegengehalten werden, dass dessen Eltern nicht zivilrechtlich gegen die von der Kindertagesstätte ausgesprochene Kündigung des Betreuungsvertrags vorgegangen sind. Der Anspruch eines dreijährigen Kindes aus § 24 Abs. 3 S. 1 SGB VIII umfasst nach dieser Entscheidung die Förderung in einer Tageseinrichtung in einem Umfang von 6 Stunden täglich an 5 Tagen in der Woche.
RA Joachim Schwede kommentiert dden Beschluss der Neuen Zeitschrift für Familienrecht (NZFam 2022, S. 43) u.a. wie folgt:
“Der Anspruch aus § 24 Abs. 3 S. 1 SGB VIII steht nach dem OVG unter keinem Kapazitätsvorbehalt. Es handele sich insoweit um eine unbedingte Bereitstellungs- bzw. Gewährleistungspflicht, der der Jugendhilfeträger nicht mit dem Einwand der Unmöglichkeit begegnen könne. Gebetsmühlenartig kann man diesen Satz in allen derartigen Verfahren in den Urteilsgründen lesen, ohne dass sich am Hintergrund der nicht vorhandenen Kapazitäten etwas geändert hat. Man darf sich schon fragen, wann endlich die Verwaltungsgerichte anfangen, zwischen rechtlicher und tatsächlicher Unmöglichkeit zu differenzieren. Sich hier auf einen Rechtsanspruch zurückzuziehen, der bereits gesetzgeberisch unrealistisch war, ist weltfremd. Das Problem sind nicht die Einrichtungen, sondern das Personal, das zudem im Rahmen der Pandemie deutlich weniger werden wird. An dieser Tatsache sollten auch Richter nicht vorbeischauen.
Dass das OVG sich nunmehr auf eine zumutbar 6-stündige Betreuung/Tag festlegt, mag rechtlich haltbar sein (dazu bereits VG Cottbus, NZFam 2021, 992). Wie aber die Bereitschaft von Eltern, ihre Kinder über solche Zeiträume hinweg fremder Betreuung zu überlassen, pädagogisch zu beurteilen ist, steht in den Sternen. Das OVG weist in einer älteren Entscheidung selbst darauf hin, dass negative Auswirkungen auf das sozial-emotionale Verhalten von ein- bis dreijährigen Kindern bei einer außerfamiliären Betreuung von mehr als 45 Stunden in der Woche angenommen werden können.”