Beim Wechsel der Kindertagesstätte ist der Nachweis einer Masernschutzimpfung vor Beginn der Betreuung in der neuen Einrichtung auch dann erforderlich, wenn das Kind am Tag des Inkrafttretens des “Masernschutzgesetzes” in einer anderen Kita betreut wurde. Dies hat das Verwaltungsgericht Magdeburg am 30.07.2020 beschlossen (Az. 6 B 251/20 M). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, ohne Nachweis betreut zu werden, blieb erfolglos.
Was war geschehen?
Die im Jahr 2019 geborene Antragstellerin war bis Ende Juni 2020 in einer Kindertagesstätte betreut worden. Ab dem 01.07.2020 wollte sie in einer anderen Tageseinrichtung aufgenommen werden. Die neue Tageseinrichtung machte die Betreuung der Antragstellerin ausdrücklich davon abhängig, dass diese nachwies, gegen Masern geimpft oder gegen Masern immun zu sein. Da die Antragstellerin keinen Nachweis vorlegte, kündigte die Tageseinrichtung den Betreuungsvertrag. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrte die Antragstellerin von dem zuständigen Landkreis die Unterbringung in einer Kindertagesstätte, ohne den Nachweis erbringen zu müssen.
VG: Ohne Nachweis kein Anspruch auf Unterbringung des Kindes
Das VG Magdeburg hat den Antrag abgelehnt. Das Infektionsschutzgesetz sehe die Nachweispflicht zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, insbesondere zum Schutz solcher Personen, die z.B. aufgrund ihres Alters oder besonderer gesundheitlicher Einschränkungen nicht geimpft werden könnten, vor. Es sei daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Tageseinrichtung, in die die Antragstellerin aufgenommen werden wollte, einen solchen Nachweis gefordert habe. Dementsprechend habe die Antragstellerin auch dem Landkreis gegenüber ohne diesen Nachweis keinen Anspruch auf die Unterbringung in einer Kindertageseinrichtung.
Ein Wechsel der Betreuungseinrichtung löse die Nachweispflicht einer Masernschutzimpfung vor Beginn der Betreuung in der neuen Einrichtung auch dann aus, wenn das Kind – wie hier – am 01.03.2020 (Tag des Inkrafttretens des “Masernschutzgesetzes”) bereits in einer anderen Einrichtung betreut worden sei. Zwar hätten Personen, die an diesem Tag bereits in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut “werden” und die Einrichtung nicht wechseln, grundsätzlich die Möglichkeit, den Nachweis noch bis zum 31.07.2021 zu erbringen. Hierauf könne sich die Antragstellerin aber nicht berufen. Dies ergebe sich daraus, dass nach dem Infektionsschutzgesetz der Nachweis vor Beginn der Betreuung vorzulegen sei. Diese Vorlagepflicht gelte bereits ihrem Wortlaut nach nicht nur für die erste, sondern auch für jede folgende Betreuungseinrichtung.
Hintergrund der Stichtagsregelung sei es sicherzustellen, dass Personen, die bereits am 01.03.2020 in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut “werden”, einen entsprechenden Nachweis noch erbringen werden. Denn sie seien nicht von der Pflicht zum Nachweis vor Beginn der Betreuung erfasst und wären ohne eine eigenständige Regelung sonst während der gesamten Dauer des Aufenthalts in der gleichen Einrichtung nicht zum Nachweis herangezogen worden. Dies hätte dem Ziel des Gesetzgebers, die Steigerung der in Quote bei der Mandant Schutzimpfung zu erreichen, nicht entsprochen.
Hinweis: RA Joachim Schwede hat dazu eine Anmerkung in NZFam (Neue Zeitschrift für Familienrecht) 2020, 2. 836 verfasst. Er schreibt u.a. dazu:
“Dass die Impfpflicht im Hinblick auf Masern zum juristischen „Dauerbrenner“ im Bereich der Kita werden würde, war bereits in der vorhergehenden Diskussion mehr als deutlich geworden (zu verfassungsrechtlichen Fragen Rixen NJW 2020,647, 651; grundsätzlich dazu Naake Kita Aktuell Recht 2020, 6). Der Umgehung dieser Verpflichtung für Kinder, die zum Inkrafttreten des Gesetzes bereits betreut wurden und noch keinen Nachweis vorgelegt haben, indem man rechtzeitig vor dem Nachholungstermin die Einrichtung wechselt, hat das VG Magdeburg mit seiner Entscheidung unter Berufung auf den eindeutigen Wortlaut der Absätze VIII – X des § 20 IfSG einen Riegel vorgeschoben.
Im Hinblick auf die abweichenden Entscheidungen des VG Chemnitz und des VG Magdeburg wäre eine höchstrichterliche Klärung – gerade wegen des immensen Gesundheitsrisikos für alle Beteiligten – rasch angezeigt.”