Der Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG knüpft am tatsächlichen Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an. Will die Arbeitnehmerin das Vorliegen der Schwangerschaft über eine statistische Wahrscheinlichkeit herleiten, ist dieses über einen Anscheinsbeweis möglich, der aber nur bei typischen Geschehensabläufen greifen kann. Ausgehend von einem typischen Geschehensablauf können nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg (Az. 4 Sa 32/21) zur Ermittlung des Zeitpunkts der Konzeption vom ärztlich festgestellten voraussichtlichen Entbindungstermin nur 266 Tage zurückgerechnet werden. Damit stellt sich das Gericht gegen die vom BAG in ständiger Rechtsprechung angewandte Rückrechnung um 280 Tage, da dies zu Ergebnissen führe, die mit typischen Schwangerschaftsverläufen nicht in Deckung zu bringen seien.
RA Joachim Schwede sagt dazu: “Für die betriebliche Praxis ist die Entscheidung von immenser Bedeutung, verkürzt das LAG doch den bisher von der Rechtsprechung angenommenen Kündigungsschutz um immerhin 14 Tage. Das LAG beruft sich dabei auf wichtige Stimmen in der arbeitsrechtlichen Literatur, hat aber gleichwohl die Revision zum BAG zugelassen. Wird diese eingelegt, wird man abwarten müssen, ob das BAG seiner Rechtsprechung treu bleibt. Bis dahin sollten solche Kündigungen unter dem Gesichtspunkt einer gewissen Rechtsunsicherheit mit Vorsicht betrachtet werden.”