LSG Hessen: Eine EHEC-Infektion ist kein Arbeitsunfall

Joachim Schwede Archiv Leave a Comment

Eine Ar­beit­neh­me­rin kann eine EHEC-In­fek­ti­on nicht als Ar­beits­un­fall gel­tend ma­chen, wenn nicht nach­ge­wie­sen ist, dass die In­fek­ti­on im Rah­men der ver­si­cher­ten Tä­tig­keit er­folgt ist. Eine mög­li­che In­fek­ti­on bei der Nah­rungs­auf­nah­me in der Kan­ti­ne sei kei­n Ar­beits­un­fall, da es sich in­so­weit um eine pri­va­te Ver­rich­tung han­de­le, ent­schied das Hes­si­sche Lan­des­so­zi­al­ge­richt (Urteil vom 01.06.2021, Az. L 3 U 131/18).

Was war geschehen?

Eine 1968 geborene Versicherte erkrankte im Mai 2011 an einer EHEC-Infektion und musste in der Folge intensivpflichtig stationär behandelt werden. Der EHEC-Erreger war mit hoher Wahrscheinlichkeit über aus Ägypten bezogenen Bockshornkleesamen nach Deutschland in einen Gartenbetrieb gelangt. Die Sprossen wurden auch an die Kantine des Betriebs geliefert, in dem die versicherte Frau als Wirtschaftsprüferin beschäftigt ist. Die Versicherte beantragte die Anerkennung als Arbeitsunfall. Sie habe sich entweder in der Kantine oder im Rahmen einer Schmierinfektion im Betrieb infiziert. Zahlreiche weitere Mitarbeiter hätten sich ebenfalls infiziert. Die Berufsgenossenschaft lehnte den Antrag ab. Es sei nicht bewiesen, dass sich die Versicherte am Arbeitsplatz infiziert habe. Die Nahrungsaufnahme gehöre nicht zu den unfallversicherten Tätigkeiten. Sollte sich die Versicherte durch Kontakt mit Kollegen infiziert habe, sei die Unfallkausalität ebenfalls zu verneinen. Bei allgemein wirkenden Gefahren (wie etwa Ansteckung mit Grippeviren, Epidemien) fehle es am rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

LSG: Der Nachweis der Infektion im Rahmen einer versicherten Tätigkeit fehlt

Das LSG hat die Klage auch in der Berufungsinstanz zurückgewiesen. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls – also im Moment der EHEC-Infektion – einer Verrichtung nachgegangen sei, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Eine (Primär-)Infektion der Versicherten in der Kantine sei zwar ein ernsthaft möglicher Geschehensablauf. Bei der Nahrungsaufnahme in der Betriebskantine handele es sich regelmäßig aber nicht um eine versicherte Tätigkeit. Dies gelte auch, wenn der Arbeitgeber – wie im Fall der Versicherten – einen Kostenzuschuss gewährt. Eine (Sekundär-) Infektion im näheren Büroumfeld zum Beispiel durch eine Schmierinfektion im Rahmen einer versicherten Tätigkeit sei nicht nachgewiesen. Darüber hinaus sei ein Arbeitsunfall auch nicht aufgrund einer besonderen, dem Arbeitgeber der Versicherten zuzurechnenden Betriebsgefahr anzuerkennen. Die Kantine werde von einem Dritten betrieben, sodass der Arbeitgeber der Versicherten insoweit keine besondere, typische Betriebsgefahr eröffnet habe.

Bei einer etwaigen Infektion in den betrieblichen Räumen hätte sich im Übrigen allenfalls ein allgemeines Lebensrisiko, nicht aber ein besonderes betriebliches Risiko realisiert. Zwar sei die statistische Wahrscheinlichkeit einer Infektion in den betroffenen Betriebsräumen höher gewesen als außerhalb dieser Firma. Denn es hätten sich dort zahlreiche Mitarbeiter infiziert und es sei nicht auszuschließen, dass diese auch noch nach Ausbruch der Krankheit den Erreger im Büro verbreitet hätten. Dies ändere jedoch nichts an der Bewertung als allgemeines Lebensrisiko, da insofern nichts anderes gelte als für jeden anderen Ausbruchsort des Infektionsgeschehens.

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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