LSG Hessen: Kein Mehrbedarf für Sozialhilfeempfänger wegen einer Bevorratung während der Corona-Pandemie

Joachim Schwede Archiv Leave a Comment

Sozialhilfeempfänger haben keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen für die Bevorratung von Lebensmitteln. Die empfohlene (Not-)Bevorratung für zehn bis 14 Tage in Zeiten der Corona-Pandemie führt nach einem Beschluss des Landessozialgerichts Hessen vom 07.05.2020 (L 4 SO 92/10 B ER) nicht zu einem unausweichlichen bzw. unabweisbaren Bedarf im Sinne des Sozialhilferechts.

Was war geschehen?

Ein schwerbehinderter Sozialhilfeempfänger hatte Ende März 2020 eine sofortige Pandemie-Beihilfe in Höhe von 1.000 Euro sowie eine Erhöhung der Regelleistung um monatlich 100 Euro beantragt. Er könne wegen seiner chronischen Erkrankung und der Gehbehinderung nicht einkaufen gehen und sei auf Lebensmittellieferungen angewiesen. Sein Vorrat reiche nur für vier Wochen. Aufgrund der Corona-Pandemie sei absehbar, dass die Versorgung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln auch in Deutschland bald zusammenbrechen werde. Die offiziell empfohlene Bevorratung sei ihm aufgrund seiner finanziellen Lage nicht möglich. Der Werra-Meißner-Kreis lehnte den Antrag auf Mehrleistungen ab. Eine Bevorratung sei nicht nötig. Ein örtliches Helfersystem unterstütze Bedürftige bei der Beschaffung von Lebensmitteln. Daraufhin beantragte der Sozialhilfeempfänger den Erlass einer einstweiligen gerichtlichen Anordnung.

Entscheidung: Die empfohlene Bevorratung begründet keinen Mehrbedarf

Die Richter beider Instanzen lehnten den Antrag ab. Ein akuter Mehrbedarf liege nicht vor. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfehle zur Vorsorge für Notsituationen lediglich eine Bevorratung für zehn bis 14 Tage. Von einer Bevorratung größerer Mengen werde hingegen ausdrücklich abgeraten. Eine Gefährdung der Lebensmittelversorgung sei aufgrund der aktuellen Ereignisse auch nicht zu erwarten. Zwar könne es bei der Zustellung einzelner Produkte zu einer Verzögerung um wenige Tage kommen. Konkrete Hinweise auf schwerwiegende Störungen der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln – auch im Rahmen von online-Lieferdiensten – bestünden derzeit jedoch nicht. Es sei zudem nicht erkennbar, dass der Sozialhilfeempfänger die Kosten für die empfohlene Bevorratung aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht erbringen könne. Schließlich habe er sich bereits für die Dauer von vier Wochen Vorräte angelegt.

Ergänzend verwiesen die Richter darauf, dass aufgrund der Corona-Pandemie einige im Regelbedarf enthaltene Kosten – zum Beispiel für Freizeit, Unterhaltung, Kultur, für Verkehr und für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen – derzeit nicht oder lediglich eingeschränkt anfielen.

Hinweis von RA Joachim Schwede: Gerade der zuletzt genannten Hinweis findet sich in nahezu allen Entscheidungen, die in diesen Tagen im Zusammenhang mit solchen Forderungen ergehen. Er ist das zentrale Argument, solche Anträge abzulehnen. Grundsätzlich ist davon abzuraten, solche Verfahren vom Zaun zu brechen. Es gibt keinen Anlass zur Bevorratung (auch nicht, wenn die Pandemie wieder aufflammen sollte, sog. “zweite Welle”) und es ist in der Tat so, dass auch Hartz-IV-Haushalte einen Teil der sonst für andere Zwecke vorgesehenen Geldmittel anders ausgeben könnten (was sie in der Praxis ja auch gar nicht tun müssten).

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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