BSG bejaht Arbeitsunfall durch Hüpfkissen-Springen in Freiwilligem Sozialen Jahr

Joachim Schwede Archiv Leave a Comment

Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt hat am 06.10.2020 ( Az. B 2 U 13/19 R) im Fall einer 17-Jäh­ri­gen, die sich wäh­rend eines Frei­wil­li­gem So­zia­len Jahrs (FSJ) beim Hüpf­kis­sen-Sprin­gen in der Frei­zeit schwer ver­letzt hatte, einen Ar­beits­un­fall be­jaht. Der Un­fall hatte sich am Rande eines FSJ-Ein­füh­rungs­se­mi­nars er­eig­net. Die Ju­gend­li­che war neben dem Hüpf­kis­sen ge­lan­det, nach­dem an­de­re Teil­neh­mer sie in die Luft ka­ta­pul­tiert hat­ten. Der FSJ-Trä­ger habe durch das Hüpf­kis­sen eine spe­zi­fi­sche Ge­fahr für das Aus­le­ben ju­gend­li­chen Spiel­triebs ge­schaf­fen.

Was war geschehen?

Die 1998 geborene Klägerin hatte nach der Realschule im September 2015 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) angefangen. Sie nahm an einem einwöchigen Einführungsseminar teil, das im FSJ-Vertrag vorgesehen war. Dabei Seminarprogramm fand täglich von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr statt. Die sich anschließende Freizeit stand den Teilnehmern zur freien Verfügung. Als sich die Klägerin an einem Abend etwa gegen 20.00 Uhr mit weiteren Teilnehmern ihres Seminars zu einem Karten- und Rollenspiel in ein anderes Haus der Einrichtung begab, stieß die Gruppe unterwegs auf ein aufgeblasenes Hüpfkissen und begann darauf herumzuhüpfen. Die Klägerin sollte sich in die eine Hälfte des Kissens setzen, während acht Teilnehmer gleichzeitig auf die andere Hälfte springen sollten, um die Klägerin in die Luft zu katapultieren. Dabei wurde sie verletzt und zog sich Deckplatteneinbrüche verschiedener Wirbelkörper der Brust- und Lendenwirbelsäule und eine Impressionsfraktur des ersten Lendenwirbelkörpers zu. Die Unfallversicherung lehntes es ab, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Sie wies darauf hin, dass die zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit auf dem Sprungkissen dem privaten Lebensbereich der Klägerin zuzurechnen sei. Dieser Auffassung folgte das LSG Niedersachsen.

BSG bejaht inneren Zusammenhang mit versicherter Tätigkeit

Das Bundessozialgericht hat jetzt das LSG-Urteil aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende SG-Urteil zurückgewiesen. Die Klägerin habe auf dem Hüpfkissen in der Bildungsstätte einen versicherten Arbeitsunfall nach § 8 Abs 1 SGB VII und § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erlitten. So sei die Klägerin zunächst als Teilnehmerin an einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) Beschäftigte nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert gewesen. Aber auch das Springen auf dem Hüpfkissen habe noch in einem inneren Zusammenhang mit dieser grundsätzlich versicherten Tätigkeit gestanden. Zwar sei diese Verrichtung keine Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis gewesen und habe von der Klägerin auch nicht als solche verstanden werden können. Der Träger des FSJ habe jedoch eine erhöhte spezifische Gefahr für die ungehemmte Entfaltung jugendlicher leichtsinniger Spielereien und gruppendynamischer Prozesse einschließlich des damit verbundenen Verletzungspotenzials durch Abhaltung eines einwöchigen Seminars für Jugendliche an einem fremden, abgelegenen Ort mit einem unfallträchtigen Sportgerät ohne entsprechende Aufsicht geschaffen. Bei Jugendlichen kann zudem auf Geschäfts- oder Seminarreisen eine auf dem altersbedingten unbändigen Spieltrieb und gruppentypischen Verhalten beruhende Handlung, die zu einem Unfall führt, eine im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Tätigkeit darstellen, insbesondere wenn die jugendlichen Arbeitnehmer durch die Umstände der Seminarreise in die Lage versetzt wurden, sich besonderen Gefahren auszusetzen. Damit sei die Benutzung des Hüpfkissens hier noch als versicherte Tätigkeit anzusehen.

Dem steht laut BSG nicht entgegen, dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt bereits fast 17 Jahre alt war. Zwar dürfte der Spieltrieb mit fortschreitendem Alter abnehmen, doch könne dieser gerade in Gruppen Gleichaltriger wieder aufleben und durch gruppendynamische Prozesse, wie sich gegenseitig “anfeuern” oder “hochschaukeln”, verstärkt werden.

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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