Die Eilanträge gegen den Nachweis der Masernschutzimpfung vor dem Kita-Besuch sind vor dem BVerfG erfolglos

Joachim Schwede Archiv Leave a Comment

Wer sein Kind in einer Kin­der­ta­ges­stät­te oder be­stimm­ten For­men der Kin­des­ta­ges­pfle­ge un­ter­brin­gen will, muss es zuvor gegen Ma­sern imp­fen las­sen und einen ent­spre­chen­den Nach­weis dafür vor­le­gen. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat mit seinem Beschluss vom 11.05.2020  (Az. 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20) die Eil­an­trä­ge meh­re­rer El­tern und ihrer je­weils ein­jäh­ri­gen Kin­der gegen die ent­spre­chen­den Re­ge­lun­gen im In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz (IfSG) ab­ge­lehnt. Das In­ter­es­se, Kin­der ohne Ma­sern­schutz­imp­fung in einer Ge­mein­schafts­ein­rich­tung be­treu­en zu las­sen, müsse ge­gen­über dem In­ter­es­se an der Ab­wehr in­fek­ti­ons­be­ding­ter Ri­si­ken für Leib oder Leben einer Viel­zahl von Per­so­nen zu­rück­tre­ten.

Was war geschehen?

§ 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG sieht vor, dass Kinder, die in einer Kindertagesstätte oder in der erlaubnispflichtigen Kindertagespflege betreut werden, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen müssen, sofern sie nicht aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können (§ 20 Abs. 8 Satz 4 IfSG). Ferner muss vor Beginn ihrer Betreuung ein entsprechender Nachweis vorgelegt werden (§ 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG). Die Beschwerdeführer haben die Regelungen des IfSG im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen. Mit ihren Eilanträgen wollten sie erreichen, dass ihre nicht geimpften Kinder bis zur Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerden in einer kommunalen Kindertagesstätte oder von einer Tagesmutter, die die Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 SGB VIII besitzt, betreut werden können.

BVerfG: Prüfung ist im Eilverfahren nicht möglich

Für das BVerfG kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung aber nicht in Betracht. Die Verfassungsbeschwerde sei zumindest nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Dies bedürfe einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht möglich sei.

Von daher sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese gehe jedoch zum Nachteil der Beschwerdeführer aus:

Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätten die Verfassungsbeschwerden Erfolg, wäre das gesetzliche Betreuungsverbot zu Unrecht erfolgt. Dies führte dazu, dass zwischenzeitlich die minderjährigen Beschwerdeführer mangels Masernschutzimpfung nicht wie beabsichtigt betreut werden könnten und sich deren Eltern um eine anderweitige Kinderbetreuung kümmern müssten, was mitunter nachteilige wirtschaftliche Folgen nach sich zöge.

Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätten die Verfassungsbeschwerden keinen Erfolg, wären grundrechtlich geschützte Interessen einer großen Anzahl Dritter von hohem Gewicht betroffen. Die grundsätzliche Pflicht, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern vor der Betreuung in einer Gemeinschaftseinrichtung nachzuweisen, diene dem besseren Schutz vor Maserninfektionen, insbesondere bei Personen, die regelmäßig in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen mit anderen Personen in Kontakt kommen. Impfungen gegen Masern in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen sollen nicht nur das Individuum gegen die Erkrankung schützen, sondern gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verhindern, wenn mit Hilfe der Maßnahmen erreicht wird, dass die Impfquote in der Bevölkerung hoch genug ist. Auf diese Weise könnten auch Personen geschützt werden, die aus medizinischen Gründen selbst nicht geimpft werden können, bei denen aber schwere klinische Verläufe bei einer Infektion drohen. Ziel des Masernschutzgesetzes sei namentlich der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit, zu dem der Staat prinzipiell auch kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angehalten ist.

Bei Gegenüberstellung der danach jeweils zu erwartenden Folgen müsse das Interesse der Beschwerdeführer, ihre Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen, beziehungswiese der Kinder, selbst dort betreut zu werden, gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten. Die Nachteile, die mit Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen des Masernschutzgesetzes nach späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, überwögen in Ausmaß und Schwere nicht – und schon gar nicht deutlich – die Nachteile, die im Falle der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten.

Anmerkung von RA Joachim Schwede: Das ist wohlgemerkt noch nicht die endgültige Entscheidung und das BVerfG tut gut daran, bereits jetzt die zentralen Aspekte der in der Hauptsache vorzunehmenden Interessenabwägung herauszuarbeiten. Hier steht das Interesse einer Minderheit am Ausleben ihrer individuellen Freiheiten den Interessen nicht nur der Mehrzahl der Kinder, sondern der Allgemeinheit als solcher entgegen. Die Masernschutzimpfung schützt nicht nur die Kinder selbst, sondern auch das gesamte Umfeld dieser Kinder, maßgeblich damit auch Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht selbst impfen (und damit aktiv schützen) können. Man kann unter diesem Gesichtspunkt schon erahnen, wie die Hauptsache-Entscheidung ausgehen könnte.

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

Mehr über Joachim Schwede >

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert