BAG bestätigt den Beginn des Kündigungsverbots für schwangere Arbeitnehmerinnen

Joachim Schwede Archiv Leave a Comment

Das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG beginnt – so das BAG in einer gerade veröffentlichten Entscheidung vom 24.11.2022 (Az. 2 AZR 11/22) – auch weiterhin 280 Tage vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin.

Der Fall: 280 oder 266 Tage?

Die Beklagte kündigte das seit dem 15.10.2020 bestehende Arbeitsverhältnis mit einem der Klägerin am Folgetag zugegangenen Schreiben vom 6.11.2020 ordentlich. Mit einem am 12.11.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2.12.2020 teilte die Klägerin mit, in der sechsten Woche schwanger zu sein. Der am 7. 12.2020 der Beklagten zugegangenen Abschrift war eine Schwangerschaftsbestätigung ihrer Frauenärztin vom 26.11.2020 beigefügt. Die Klägerin legte im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens eine weitere Schwangerschaftsbescheinigung vor, in welcher der voraussichtliche Geburtstermin mit 5.8.2021 angegeben wurde. Die Klägerin hält die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 MuSchG für unwirksam. Sie sei zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 7.11.2020 bereits schwanger gewesen. Von der Schwangerschaft habe sie erst am 26.11.2020 sichere Kenntnis erhalten. Die verspätete Mitteilung an die Beklagte sei unverschuldet und unverzüglich nach ihrer – der Klägerin – Kenntnis erfolgt.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und das Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs bestritten. Die Klägerin habe sie schon früher über eine mögliche Schwangerschaft benachrichtigen müssen. Jedenfalls sei die Mitteilung der Klägerin nicht mehr unverzüglich erfolgt. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten bei der verspäteten Übermittlung der ärztlichen Bescheinigung müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

BAG: Es bleibt bei der bestehenden Rechtsprechung

Das Landesarbeitsgericht durfte nach Ansicht des BAG einen Verstoß gegen das Kündigungsverbot in § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht verneinen und die Kündigung vom 6.11.2020 für wirksam halten. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Das Landesarbeitsgericht hätte rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin könne sich nicht auf das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG berufen, da bei ihr zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 7.11.2020 keine Schwangerschaft vorgelegen habe. Das Bestehen einer Schwangerschaft und damit der Beginn des Kündigungsverbots werde bei natürlicher Empfängnis ausgehend von dem ärztlich festgestellten mutmaßlichen Entbindungstermin entgegen der ständigen Rechtsprechung (zuletzt BAG vom 26.3.2015, Az. 2 AZR 237/14) nicht durch eine Rückrechnung eines Zeitraums von 280 Tagen, sondern lediglich von 266 Tagen bestimmt. Abzustellen sei nicht auf die äußerste zeitliche Grenze für den möglichen Beginn einer Schwangerschaft (280 Tage), sondern nur auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer (266 Tage). Das BAG sieht sich nicht veranlasst, seine ständige Rechtsprechung zu ändern. Die teilweise auch im Schrifttum vertretene Auffassung der Vorinstanzen berücksichtige nur ungenügend die sich aus dem Unionsrecht und aus nationalem Verfassungsrecht ergebenden Vorgaben.

RA Joachim Schwede sagt dazu: “Bereits in der Anmerkung zur Entscheidung der Vorinstanz wurde darauf hingewiesen, dass diese mit Vorsicht zu betrachten ist. Nun bestätigt sich, dass das BAG an seiner Rechtsprechung festhält, auch wenn es dazu durchaus kritische Stimmen gibt. Es bleibt also bei der Rückrechnung um 280 Tage.”

Über den Autor: Joachim Schwede

Joachim Schwede Rechtsanwalt aus Aichach
Ihr Berater zu Fragen im Arbeits-, Sozial -, Arbeitsschutz- und KiTa-Recht.

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